Möven und ein kleiner roter Krebs an der Para-Ankerleine waren die einzigen Besucher. Aber einsam waren wir nie.
Unmittelbar nach dem Referats-Zmorge bei der Investorengruppe Sport Thun IGST fuhren wir gemeinsam mit dem Vereinspräsi Reto und der Little SWISS LADY im Schlepptau los Richtung Süden. Nach der rund 12stündigen Fahrt erreichen wir kurz vor Mitternacht die Isola di Albarella, südlich von Venedig. Unser ursprünglicher Plan das Training bei wesentlich milderen Temperaturen in der Region Elba/Korsika durchzuführen, hat der stürmische Westwind gründlich verblasen. Mit Windstärken von über 30 Knoten, sind wir nicht mehr in der Lage zum Ausgangspunkt zurück zu kehren. Daher haben wir unserem Wettermann John eine neue Route in der Adria vorgelegt, welche er mit "looks good, let's see how it works" quittiert.

Kaum stand die Little SWISS LADY im Wasser, haben wir die Sicherheitssysteme nochmals gemeinsam angeschaut und uns auf die 72 bevorstehenden Meerstunden eingestimmt. Begleitet von der Hafen-Crew und Präsi Reto im Motorboot, kommen wir auf den 500 Kanalmetern vom Hafen bis ins Meer in Fahrt. Der Autopilot nimmt in der Heckkabine nach einer kleinen mechanischen Intervention vom Technik-Verantwortlichen Toni mit dem bekannten Kratzgeräusch seine Arbeit auf.
Analog den Wettkampfbedingungen haben wir uns mit zwei Satelliten-Telefonen ausgerüstet und standen täglich im Austausch mit John. Die Unzuverlässigkeit der Satelliten-Verbindung zu erleben ist eine wichtige Erfahrung, die es mit einzubeziehen gilt. Manchmal lässt sich keine Verbindung aufbauen, die Nachrichten kommen verspätet, nicht komplett oder gar nicht an.
Drei Tage und drei Nächte verbringen wir auf dem Boot. Schon in der ersten Nacht werden Toni und Astrid mit Seekrankheit konfrontiert. Astrid kennt diese Erfahrung von ihrer Atlantik-Überquerung und weiss - bei allem Elend- sie verschwindet wieder. Es war eine gute Gelegenheit, die gegenseitige Fürsorge hoch leben zu lassen. Nur eine Berührung, ein Blick der Anerkennung oder das Angebot eines heissen Tees, kann gerade in solchen Momenten zwischenmenschlich viel bewirken.
Unter all unseren Trainings war das mit Abstand das Wichtigste. Im Vergleich zum Meertraining in Holland vom vergangenen August, welches uns Punkto Navigation, Gezeitenmanagement, Bootshandling in Schleusen und Kollisionsprophylaxe vorangebracht hat, sind diese 72 Stunden auf offenem Meer eine Erfahrung, die unserer Pacific-Challenge am nächsten kommt. Nicht nur die wechselnden Wind- und Wetterverhältnisse, auch die tiefen Temperaturen und das fürs Mittelmeer typische Wellenbild hat uns herausgefordert.
Neben dem Performen in den gegebenen Verhältnissen, starten wir mit einer Checkliste von vorgeschriebenen Übungen ins Training. Es gelingt uns alle verbleibenden Punkte abzuarbeiten. Mit Schiffen in unserer unmittelbaren Umgebung haben wir regen Funkkontakt gepflegt, um uns zu versichern, dass unser AIS (Automatic Identification System) funktioniert und wir auf diese Weise Kollisionskurse vermeiden können.
Den Para-Anker haben wir bei Tag und bei Nacht eingesetzt, die Schichtablösungen geübt und den enormen Stromverbrauch durch den Autopiloten im Auge behalten. Neben unseren 2stündigen Ruderschichten hat jeder von uns seine zugeteilten Aufgaben und Verantwortlichkeiten wahrgenommen. Denise hat die ganze Crew mit dem Gaskocher mit heissem Wasser für unsere gefriergetrockneten Mahlzeiten versorgt. Da wir unsere Reise filmisch dokumentieren wollen, kümmert sich Philipp um die Positionierung und Einstellung der Bord-Kameras. Toni setzt sich intensiv mit den verschiedenen Einstellungen des Autopiloten auseinander und Astrid übt sich in der Kommunikation mit dem holländischen Wettermann John, berät mit dem Team das Routing in Abstimmung mit dem Wind und profitiert enorm von Toni's Skills in der Bedienung des Plotters.
Müde zwar aber auch sehr zufrieden mit dem Verlauf der letzten Start-Qualifikation bogen wir wieder aus dem Kanal in die Marina ein. Es war grossartig und wichtig zu erkennen, wie motivierend es ist, wenn sich die verschiedenen Fähigkeiten zu einem tragfähigen Netz verflechten. Und es macht Lust auf MEER!